Alban Muja: Besa
HMKV Video des Monats
Videostill aus Alban Muja, Besa, 2019, 6:50 Min., Video
- ausgewählt von Inke Arns (HMKV) -
In Besa, einer der drei Geschichten, die den Kern von Alban Mujas Videoinstallation Family Album bilden, erzählt Besa Luta die eindringliche und zutiefst persönliche Geschichte, die hinter einem der ikonischsten Fotos des Kosovo-Krieges steht. Das Bild, das 1999 in den internationalen Medien weite Verbreitung fand, wurde zu einem Symbol der kosovarischen Flüchtlingskrise. Es zeigt ihre Mutter, Sherife Luta, die die sechs Monate alte Besa stillt, während sie zusammen mit Tausenden von anderen vor einem Angriff serbischer Truppen auf die Stadt Kaçanik in Richtung des Grenzübergangs Bllace in Mazedonien flieht.
Indem sie diese erschütternde Reise noch einmal Revue passieren lässt, rekonstruiert Besa den einmonatigen Kampf ihrer Mutter um das Überleben ihrer kleinen Tochter inmitten der Gewalt des Krieges und der ethnischen Säuberungen, die sich zwischen dem 8. März und dem 9. April 1999 ereigneten. Ein Moment ist der Familie besonders im Gedächtnis geblieben: Als sie sich Bllace näherten, bemerkte Sherife, dass sie die Stimme ihres Kindes nicht mehr hören konnte, und befürchtete, dass Besa an der Kälte gestorben war. Ein anderer Flüchtling legte das Baby in einem nahe gelegenen Haus in einen Ofen, um es zu wärmen. Zur Erleichterung ihrer Mutter begann Besa bald zu weinen.
Besas Geschichte, die sie anhand der Erinnerungen ihrer Eltern und ihrer eigenen Überlegungen erzählt, ist sowohl zutiefst persönlich als auch weithin repräsentativ für die Erfahrung von Geflüchteten. Sie offenbart das Trauma, die Resilienz und die persönlichen Opfer, die im Angesicht des Krieges gebracht werden, und untersucht gleichzeitig, wie solche Momente die Identität und das Selbstverständnis in den folgenden Jahren prägen.
Präsentiert im Kosovo-Pavillon während der 58. Biennale von Venedig, war Besa Teil von Mujas Videoinstallation Family Album. Das Projekt markierte den zwanzigsten Jahrestag des Endes des Kosovo-Krieges - des letzten Konflikts auf europäischem Boden im 20. Jahrhundert, bei dem über 90 % der Bevölkerung des Kosovo vertrieben wurde.
Im Kern geht es in Family Album um die Überschneidung von persönlicher und kollektiver Erinnerung. Muja greift auf weit verbreitete Fotos von Flüchtlingskindern zurück, die während des Krieges aufgenommen wurden – Bilder, die zu visuellen Symbolen für Chaos, Trauma und menschliches Leid wurden. Zwei Jahrzehnte später spürt er die auf diesen Fotos abgebildeten, inzwischen erwachsenen Personen auf, um zu untersuchen, wie diese medialen Darstellungen ihr Leben geprägt haben. Die Installation hinterfragt die Macht der Bilder bei der Konstruktion historischer Erzählungen und stellt die Rollen von Subjekt, Zeug*in und Erzähler*in in Frage.
Mit Besa und dem größeren Projekt Family Album lädt Muja zum Nachdenken darüber ein, wie die Erinnerung – die persönliche und die politische - fortbesteht, sich verändert und weiterhin unser Verständnis von Konflikt und Überleben prägt.
Alban Muja
Alban Muja (geb. 1980, Mitrovica) ist ein zeitgenössischer kosovarischer Künstler und Filmemacher, der in Berlin und Prishtina lebt. Beeinflusst vor allem von den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozessen in der Region, setzt er sich mit Geschichte und gesellschaftspolitischen Themen auseinander und verknüpft sie mit seiner Position im heutigen Kosovo. Im Jahr 2019 vertrat Muja den Pavillon der Republik Kosovo auf der 58. Biennale von Venedig mit seiner Drei-Kanal-Videoinstallation Family Album. Ausgewählte weitere Ausstellungen sind u.a.: 75. Berlinale (Forum Expanded), Art Encounters Biennial, Timișoara, Rumänien; Manifesta Biennale 14, Prishtina; Ludwig Museum, Budapest; MAXXI Museum, Rom; 3rd Industrial Art Biennial, Istrien, Kroatien; MOMus Experimenta Center for the Arts, Thessaloniki; Kumu Art Museum, Tallinn; Guangdong Museum of Art; Museum of Contemporary Art, Skopje; MeetFactory, Prag; Forum Stadtpark, Graz; James Gallery, New York; City Art Gallery, Ljubljana; Zhejiang Art Museum, Hangzhou; Museum of Fine Art, Split; Trieste Contemporanea; Museum of Modern and Contemporary Art, Rijeka; Zachęta National Gallery of Art, Warschau; 2nd Biennial of Contemporary Art in the Atomic Shelter, Konjic, BiH; Škuc Gallery, Ljubljana; National Gallery of Kosovo; Gagosian Gallery, Beverly Hills; Slovak National Gallery; Staatliche Kunsthalle, Baden-Baden; 28th Ljubljana Graphic Biennale; nGbK, Berlin; National Gallery of Arts, Tirana; und die Cetinje Biennale.
01.–31. Juli 2025
Alban Muja
Besa
Video, 6:50 Min., 2019, Courtesy of the artist
In der Serie „HMKV Video des Monats“ stellt der HMKV im monatlichen Wechsel aktuelle Videoarbeiten internationaler Künstler*innen vor.