computer / spiel / film – Vorträge und Filme zu Computerspiel und bewegtem Bild
Dortmund | Phoenix Halle
Vorträge + Filme
Computerspiele lassen sich als eine hybride mediale Form beschreiben, die Elemente zahlreicher anderer Zeichensysteme in sich aufgenommen hat – von der Architektur über Malerei und Literatur bis hin zum Film. Zugleich prägen die Ästhetik und Logik von Computer Games ihrerseits eine wachsende Anzahl anderer Medien. Einige dieser medienübergreifenden Bezüge fokussiert das Vortrags- und Filmprogramm computer/spiel/film, in dessen Rahmen Medien- und FilmwissenschaftlerInnen dem Verhältnis von Computerspiel und bewegtem Bild nachgehen werden.
Film und Game scheinen voneinander zu "lernen", wenn einerseits Formen des filmischen Erzählens für Computerspiele adaptiert werden und andererseits digitale Effekte dem Film eine Räumlichkeit und Fluidität verleihen, die in den 3D-Welten des Computerspiels ihren Ursprung haben. Analogien und Differenzen zwischen Film und Game in bildästhetischer und narrativer Hinsicht werden somit ein Fokus der Veranstaltung sein.
Neben dem Film im engeren Sinne werden auch andere Formen des bewegten Bildes im Licht des Computerspiels diskutiert. Hierzu zählen Simulations- und Visualisierungstechnologien in Militär und Forschung ebenso wie die massenmediale Auseinandersetzung mit Kriegsgeschehen, bei der nicht selten die modellhaft verdichtete Oberflächenästhetik des Computerspiels und spielerisch vereinfachende Dichotomien wie Freund-Feind oder Held-Antiheld zitiert werden.
Weitere Beiträge gehen filmischen Konstruktionen des Hackers/Gamers als männlichem Rollenmodell nach und fragen aus soziologischer Perspektive nach den Folgen der "Abwanderung" des Computerspiels aus dem öffentlichen in den privaten Raum.
Neben dem Kultfilm "Tron" (Steven Lisberger, 1982) werden zwei Kurzfilmprogramme mit Videoarbeiten der letzten sieben Jahre präsentiert, die mit der Logik und Ästhetik von Computer Games spielen – sei es dass sie alternative filmische Narrationen zu existierenden Spielszenarien entwerfen, virtuelle Spielfelder in den realen Raum übertragen oder sich in einem weiteren Sinne mit der Verstrickung von Game-Ästhetik, Simulation und Realbild befassen.
Der Kurzfilm Do you have the shine? (Johan Thurfjell) etwa gehört zu den Arbeiten, die explizit auf eine Spielfilmvorlage, in diesem Fall Stanley Kubricks "Shining", referiert. Das Video nutzt diese Schablone, um eine Form von Interaktivität vorzuspiegeln, wie sie der Film gerade nicht bietet. Arbeiten wie She Puppet (Peggy Ahwesh) oder Sheik Attack (Eddo Stern) zitieren Versatzstücke aus existierenden Computerspielen wie "Tomb Raider" oder "SimCity" und komponieren sie zu einer neuen filmischen Narration, die die Logik der Spielvorlagen durchbricht. Figuren und Spielverläufe werden in neue, dezidiert politische Zusammenhänge versetzt und gemäß deren Logik neu bewertet. Paul Bush kompiliert schließlich in The Rumour of True Things Bildmaterial aus Flugsimulatoren, Aufnahmen, die im Rahmen wissenschaftlicher Experimente entstanden sind, Überwachungsvideos und Computerspielsequenzen und führt durch ihre direkte Konfrontation die Verstrickung von Game-Ästhetik, Simulation und Realbild vor Augen.
Ort
Ehemaliges Reserveteillager auf Phoenix West
Hochofenstraße / Ecke Rombergstraße
Dortmund-Hörde
Kuratorin
Katrin Mundt
Ein Projekt des
hartware medien kunst verein +
medien_kunst_netz dortmund
Das Rahmenprogramm der Ausstellung wird gefördert durch
Kulturbüro Stadt Dortmund
Fonds Soziokultur
Heinrich-Böll-Stiftung NRW
Internationale Kurzfilmtage Oberhausen
Programm
Freitag, 21. Nov
18:30 Einführung
19:00 Karin Bruns (Vortrag)
Alice im Wunschmaschinen-Land.
Computer-Games zwischen Filmadaption und künstlerischer Subversion
Der Vortrag diskutiert das Computerspiel als hybrides Medium, in dessen Bildästhetik auch Elemente filmischer Formensprache (wie Einstellungstypen, Schnitttechniken etc.) Niederschlag gefunden haben. Im zweiten Teil werden künstlerische Positionen der Ausstellung aufgegriffen, die modifizierend in die Ästhetik und Funktionsweise von Computer-Games eingreifen.
20:30 Serjoscha Wiemer (Vortrag)
"Fütter mein Ego?"– Visualität und Perspektive in Computerspielen
Serjoscha Wiemer zeichnet in seinem Beitrag die Entstehung einer für Game und Film je spezifischen Bildästhetik nach. Die Zentralperspektive als Raummodell und Weltsicht hat sowohl die Bildlichkeit dreidimensionaler Spielszenarien wie auch die des filmischen Bildes maßgeblich geprägt. Dennoch lassen sich für beide Formen der Verräumlichung unterschiedliche Entwicklungslinien aufzeigen, die sich an je spezifischen Wahrnehmungseffekten orientieren.
22:00 Filmprogramm 1
Tron, Steven Lisberger
USA/Taiwan 1982, 96 min, 35mm (angefragt)
Ein Programmierer hackt das Computernetzwerk eines Medienimperiums, um dessen illegale Machenschaften aufzudecken. Dabei wird er in das Innere des Systems „entführt“ und von rebellierender Software in Duelle und Verfolgungsjagden verwickelt, deren Darstellung die Ästhetik aktueller Computerspiele vorwegnimmt.
Samstag, 22. Nov
11:00 Uhr Führung durch die Ausstellung games. Computerspiele von KünstlerInnen
13:00 Uhr Andreas Lange (Vortrag)
Homegames. Wie die Computerspiele unsere Wohnzimmer eroberten
Computerspiele wurden in Universitäten geboren und sind in Spielhallen groß geworden. Doch bereits Anfang der 70er Jahre begannen sie, es sich auch in unseren Wohnzimmern bequem zu machen. Wie geschah dieser Wandel und welche Bedeutung hatte er für die Spiele und ihre Wahrnehmung?
14:30 Uhr Filmprogramm 2
Do you have the shine? Johan Thurfjell
S/F 2003, 5'10'', Video
Eine computeranimierte Umsetzung von Kubricks "Shining", die sich als interaktive Spieloberfläche ausgibt. Die lineare Gerichtetheit des Films wird gegen die scheinbare Option individueller Steuerung der Handlungsabläufe ausgespielt.
Le foto dello scandalo, Daniele Lunghini /Diego Zuelli
IT 2000, 6'20'', Video
Ein 3D-animierter Gangsterfilm, der um den Tathergang eines Verbrechens kreist. Die Chronologie der Ereignisse entfaltet sich dabei nicht über die Handlungen der Figuren, die zu dreidimensionalen "Stills" erstarrt sind, sondern über die Bewegungen einer imaginären "Kamera".
Heroes, Oliver Pietsch
D 2001, 8'30'', Video
Oliver Pietsch "simuliert" ein Ego-Shooter-Game im realen Raum und schließt zugleich dramaturgisch an das Genre des Actionfilms an.
Ping Pong, Sebastian Kaltmeyer
[Musik: Computerjockeys], D 1999, 5'15'', Video
Die hypnotische Bewegung eines Ping Pong-Balls bestimmt den Rhythmus dieses Musikvideos, das uns in eine phantastische 3D-Welt entführt.
Sheik Attack 1966-1999, Eddo Stern
ISR 2000, 16', Video
Das Video entwickelt aus Computerspiel-Sequenzen und israelischen Popsongs eine filmische Narration, die die israelische Geschichte als eine Aufeinanderfolge der Okkupationen und kriegerischen Auseinandersetzungen nachspielt.
Exit, Magnus Wallin
S 1998, 3'3'', Video
Avatare mit unterschiedlichen Körperbehinderungen flüchten einen Korridor entlang vor einer herannahenden Feuerwand. Wird einer von ihnen vom Feuer erfasst, wird dies mit Jubel und Applaus von einem unsichtbaren Publikum quittiert. Eine makabre Zuspitzung der binären Logik des Gewinnens/Verlierens.
16:00 Francis Hunger (Vortrag)
WarGames – Hacker spielen
Francis Hunger wendet sich in seiner Auseinandersetzung mit WarGames (John Badham, 1983) der Frage zu, inwiefern dieser Film, der die Figur des Hackers/Gamers erstmals erfolgreich ins Mainstreamkino einführte, noch bis heute unsere Wahrnehmung von Computerspielen und ihren UserInnen prägt. In besonderem Maße wirft der Film auch die Frage nach Genderstereotypen in Verbindung mit digitalen Medien auf.
17:30 Krystian Woznicki (Vortrag)
Sim Cinema wants you
Das Computerspiel importiert Codes aus allen erdenklichen Bereichen, es exportiert aber auch unermüdlich: seine Logik und Ästhetik finden sich zusehends im Hollywood-Film wieder, aber auch in der Medienberichterstattung – vor allem von Kriegen. Schauspieler und Soldaten (die immer mehr zu Schauspielern werden), erscheinen vor diesem Hintergrund als Figuren eines Computerspiels. Ihre Images und Berufe sind damit einem vielschichtigen Wandel unterzogen, dem Krystian Woznicki in seinem Vortrag nachspürt.
19:00 A B E N D E S S E N
20:00 Joan Leandre
Präsentation (englisch)
Babylon Archives. Documents from the darkest side of the Empire. A media archeology project 1999 : 2003
21:30 Filmprogramm 3
She Puppet, Peggy Ahwesh
USA 2001, 15', Video
In ihrer Collage von Spielsequenzen aus Tomb Raider, die wie found footage behandelt und mit Voiceovers unterlegt wurden, erzeugt Peggy Ahwesh einen existentialistisch anmutenden Subtext zur popkulturell vereinnahmten Spiel-Ikone Lara Croft.
The Rumour of True Things, Paul Bush
UK 1996, 25', Video
Paul Bushs Arbeit versammelt bewegte Bilder aus Wissenschaft, Militär, Überwachungssystemen, Flugsimulatoren und elektronischen Spielen und führt durch ihre direkte Gegenüberstellung die Verstrickung von Game-Ästhetik, Simulation und Realbild und damit letztlich den prekären Status unserer "Wirklichkeit" vor Augen.
Romance (Green), Seth Price
USA 2003, 30', Video
Eines der ersten Text Adventure-Spiele, das sich in den 70er- und 80er Jahren großer Popularität erfreute, wird hier zum Stoff einer filmischen Narration. Im Dialog zwischen SpielerIn und Computer entfaltet sich in unkalkulierbaren Schleifen eine Erzählung, die zugleich imaginärer Text-Raum ist.
Mit Vorträgen von
Karin Bruns (DE)
Francis Hunger (DE)
Andreas Lange (DE)
Joan Leandre (ES)
Serjoscha Wiemer (DE)
Krystian Woznicki (DE)
Mit Filmen / Videos von
Peggy Ahwesh (US)
Paul Bush (UK)
Sebastian Kaltmeyer (DE)
Steven Lisberger (US)
Kristin Lucas (US)
Daniele Lunghini (IT)
Oliver Pietsch (DE)
Seth Price (US)
Eddo Stern (IL)
Johan Thurfjell (SE)
Magnus Wallin (SE)
Diego Zuelli (IT)