History will repeat itself - Filmprogramm
Freunde der Deutschen Kinemathek, Kino Arsenal, Berlin
"Strategien des Reenactment in der zeitgenössischen (Medien-)Kunst und Performance" ist der Untertitel der aktuellen Ausstellung "History Will Repeat Itself" in den Kunst-Werken, die sich noch bis zum 13. 1. mit der Frage befasst, wie Künstler die Vergangenheit in die Gegenwart überführen. Reenactments "heben die Distanz zwischen der sicher geglaubten und medial repräsentierten Geschichtsschreibung und dem Jetzt auf und ermöglichen es, sich selbst ins Verhältnis zu dem geschichtlichen Ereignis zu setzen bzw. sich der Geschichte auf subjektiver Ebene zu nähern," schreibt Inke Arns im Ausstellungskatalog. Dabei suchen Reenactments nicht nach einer Authentizitätserfahrung, sondern betrachten Geschichte vor der Folie der Gegenwart.
Mi 2.1., 21h Eröffnung (Einführung von Gabriele Horn)
OKTJABR Oktober Sergej M. Eisenstein UdSSR 1927 dt. Zwt. 103' Am Flügel: Eunice Martins & Sa 12.1., 21.30h (Magical History Tour)
Der zehn Jahre nach der Oktoberrevolution anlässlich dieses Jubiläums entstandene Film Sergej Eisensteins OKTJABR ist gewissermaßen ein Reenactment eines Reenactments. Da von der Erstürmung des Winterpalastes in St. Petersburg im Oktober 1917, einem der zentralen Ereignisse der Oktoberrevolution, keinerlei fotografisches Material existiert, wurde es drei Jahre später als größtes Massenspektakel aller Zeiten mit zahlreichen Statisten nachgespielt. Dabei wurde weniger Wert auf eine geschichtstreue Rekonstruktion, denn auf eine spektakuläre Inszenierung gelegt, die den teilnehmenden Massen erst eine Vorstellung von sich selbst als revolutionärem Subjekt gab. Die Vergangenheit wurde gemäß den Bedürfnissen der Gegenwart neu geschaffen. Auf diesen Bildern dann basiert Eisensteins OKTJABR, für den ihm großzügige finanzielle Mittel, tausende Statisten, das Winterpalais in St. Petersburg und der Panzerkreuzer Aurora zur Verfügung gestellt wurden.
Fr 4.1., 19.30h
ARBEITER VERLASSEN DIE FABRIK Harun Farocki D 1995
NICHT LÖSCHBARES FEUER Harun Farocki BRD 1968/69
WHAT FAROCKI TAUGHT Jill Godmilow USA 1999
Jill Godmilows Film WHAT FAROCKI TAUGHT ist eine detailgetreue Wiederholung von Harun Farockis Film NICHT LÖSCHBARES FEUER, einem wichtigen Agitprop-Film der Vietnam-Bewegung über Napalm-Produktion, Arbeitsteilung und fremdbestimmtes Bewusstsein. Jill Godmilow: „WHAT FAROCKI TAUGHT ist eine Wiederholung – kein Remake, keine Hommage, kein Updating – von Harun Farockis NICHT LÖSCHBARES FEUER aus dem Jahr 1969. Gertrude Stein sagte einmal, „lasst mich wiederholen, was die Geschichte lehrt: die Geschichte lehrt.“ NICHT LÖSCHBARES FEUER war es wert, noch einmal gemacht zu werden, einfach aus dem Grund, weil das, was Farocki 1969 vermittelt hat, immer noch nicht wirklich verstanden wurde. Wir zeigen die Filme zusammen mit Harun Farockis ARBEITER VERLASSEN DIE FABRIK, in dem er die Filmgeschichte nach dem emblematischen ersten Filmbild durchsucht: Arbeiter, die eine Fabrik verlassen.
Sa 5.1., 19h & Mo 7.1., 19h
ZIMMER, GESPRÄCHE Dora García 2006
INTERVISTA – FINDING THE WORDS Anri Sala 1998
ACTING FACTS Frédéric Moser und Philippe Schwinger 2003 ( Aus der Sammlung des Video-Forums, Neuer Berliner Kunstverein)
INTERVISTA – FINDING THE WORDS geht von einem 20 Jahre alten 16mm-Film aus, den der Künstler bei einem Umzug im Haus seiner Eltern findet. Darauf findet sich die Mutter Salas als Führerin der kommunistischen Jugendorganisation Albaniens, die eine Rede hält. Da die Tonspur fehlt, beginnt Anri Sala danach zu suchen: er befragt seine Mutter, die sich nicht erinnern kann oder will, sucht Personen aus ihrem Umfeld auf und rekonstruiert die Rede schließlich mit Hilfe eines Lippenlesers. Dora Garcías ZIMMER, GESPRÄCHE rekonstruiert die fiktive Begegnung zwischen einem Stasi-Offizier und einem IM in einer konspirativen Wohnung. Die Worte DDR oder Stasi werden nie genannt. Vielmehr treten Themen wie Angst, Kontrolle, Abhängigkeit, Absurdität und Macht in den Vordergrund der Betrachtung. In ACTING FACTS der beiden Schweizer Künstler Frédéric Moser und Philippe Schwinger wird das Massaker von My Lai, das US-Soldaten während des Vietnam-Krieges verübten, von einem Schauspieler in einer neutralen Umgebung inszeniert.
So 6.1., 17h
LA COMMUNE (PARIS, 1871) Peter Watkins F 1999 Beta OmU 345'
In LA COMMUNE stellten die über 200 Mitwirkenden, die meisten von ihnen Laien, die Ereignisse der Pariser Kommune von 1871 nach, die nach etwas über zwei Monaten von Regierungstruppen gestürmt wurde und mit 30.000 Toten blutig endete. Den Dreharbeiten gingen gemeinsame Recherchen voraus, in denen sich die Darsteller ihre Figuren und deren Engagement erarbeiteten. Die politischen und sozialen Debatten, die von den Darstellern geführt werden, bewegen uns heute indes ebenso sehr wie damals die Kommunarden: Fragen nach Arbeitslosigkeit, Rassismus und Gleichberechtigung. Integriert in die Handlung sind zwei Fernsehteams, die die Geschehnisse begleiten: das staatliche Fernsehen und das Kommunardenfernsehen. „Lassen sich die Prinzipien der Kollektivität und Selbstorganisation, aber auch die Widersprüchlichkeiten der Kommune angemessen repräsentieren? Aus dieser Frage nach angemessener Repräsentation hat sich ein Film entwickelt, der den tradierten Rahmen von Produktion und Rezeption auf drei Ebenen verlässt: auf der Ebene der Form, auf der Ebene des Produktionsprozesses und auf der Ebene der Distribution und Präsentation.“ (Michaela Pöschl)
So 6.1., 21h & Fr 11.1., 21h
S 21 - LA MACHINE DE MORT KHMÈRE ROUGE S 21 - The Khmer Rouge Killing Machine Rithy Panh Kambodscha/F 2002 OmE 101'
S 21 - LA MACHINE DE MORT KHMÈRE ROUGE konfrontiert Henker und Opfer der Roten Khmer miteinander. Dem Terrorregime der Roten Khmer in Kambodscha von 1975 bis 1979 fielen an die zwei Millionen Menschen zum Opfer. Erst in jüngster Zeit wurde mit der Aufarbeitung dieser schmerzlichen Vergangenheit begonnen und die Täter zur Verantwortung gezogen. Ein besonders grausames Folter- und Vernichtungslager war das S 21. Mit ehemaligen Wärtern kehrt Rithy Panh an diesen Ort zurück und lässt sie die Gesten und Bewegungen nachstellen, die früher zu ihrer täglichen Arbeit gehörten. „In meiner Gedächtnisarbeit hat die Geste einen zentralen Platz. Die prägende Szene, in welcher der Henker die Gesten vornimmt, die er damals gegenüber den Häftlingen ausgeführt hatte, ist in dieser Hinsicht emblematisch. Kritiker haben behauptet, er spiele diese nach, doch es geht nicht um eine Inszenierung: Es sind einfach Gesten, die auf unerklärliche Art mechanisch wiederkommen.“ (Rithy Panh)
Mi 9.1., 19h & Sa 12.1., 20.30h
DAS HIMMLER-PROJEKT Romuald Karmakar D 2000 Beta 185'
DAS HIMMLER-PROJEKT zeigt den Schauspieler Manfred Zapatka beim Rezitieren einer dreistündigen Rede, die Heinrich Himmler 1943 vor SS-Generälen hielt und mit der er den bisherigen Kriegsverlauf schildert sowie bereits begangene Verbrechen rechtfertigt. „Karmakar hat eine Rede für uns ‘ausgegraben’, deren ungeheuerliche Rhetorik er uns über drei Stunden lang Wort für Wort zu folgen zwingt. Es geht um jene Rede, die der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, 1943 auf einem konspirativen Treffen in Posen in Gegenwart von 92 SS-Generälen hielt. Im Vorspann werden einige Hintergründe dieses Treffens erläutert, dann erscheint der Schauspieler Manfred Zapatka auf der ‘Bühne’ und wird diese bis zum Schluss des Filmes nicht mehr verlassen, da er die gesamte Rede Himmlers rezitiert. Zapatka befindet sich in einem Fernsehstudio, liest von einem Rednerpult aus, er trägt Alltagskleidung von heute.“ (Iris Dressler)
In der Black Box zeigen wir vom 2. bis zum 12. Januar zwei weitere kurze Arbeiten: A DAY TO REMEMBER des chinesischen Künstlers Liu Wei, der am 4. Juni 2005 am Tiananmen-Platz und vor der Universität Menschen zu diesem Datum befragte – dem 16. Jahrestags des Massakers. In den ausweichenden Antworten und manchmal auch der totalen Ahnungslosigkeit wird die Wirksamkeit der staatlichen Propaganda sichtbar, die das Ereignis seit 16 Jahren totschweigt. Lenka Claytons QAEDA QUALITY QUESTION QUICKLY QUICKLY QUIET (2003) fügt alle 4100 Wörter der Video-Aufzeichnung von George W. Bushs berühmter "Achse des Bösen"-Rede minutiös neu zusammen: alphabetisch geordnet.
Die von Inke Arns und Gabriele Horn kuratierte Ausstellung „History Will Repeat Itself“ ist bis zum 13.1. in den Kunst-Werken zu sehen. In Zusammenarbeit mit und Dank an Inke Arns.
Informationen zur Ausstellung unter: http://www.kw-berlin.de
Das Programm im Kino Arsenal:
http://www.fdk-berlin.de/de/arsenal/programmtext-anzeige/article/1114/304.html?cHash=92a82ed1eb
Für weitere Informationen:
Christine Sievers | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Kino Arsenal
030 269 55 143 oder cs@fdk-berlin.de
Kino Arsenal 1 & 2 | Potsdamer Straße 2 | 10785 Berlin | www.fdk-berlin.de
___________________________________________
Weitere Informationen:
Maike Cruse
t: ++49 30 24 34 59 41 / 42
presse@kw-berlin.de