Orte und Übergänge. Filme aus der Schweiz.

Dortmund | Phoenix Halle

im Rahmen von "So wie die Dinge liegen"
und "scene: schweiz in nrw"

Einführung

Das Film- und Vortragsprogramm im Rahmen der Ausstellung So wie die Dinge liegen versucht eine Annäherung an die Schweiz über ihre filmischen Selbstentwürfe. Es zeichnet damit das Spannungsfeld nach, in dem lokale Traditionen, überkommene territoriale Ordnungen, sich verändernde ethnische Verhältnisse und globale Vernetzungstendenzen aufeinander treffen.

Das Programm widmet sich zunächst einer Art filmischen Ethnographie von innen: Orte, Landschaften und Personen in der Schweiz werden gezielt aufgesucht oder zufällig vorgefunden und ins Bild gesetzt. Im Prozess der Selbstbespiegelung vollzieht sich eine eigenartige Verschiebung der Perspektive: Der nüchterne Blick auf das scheinbar Vertraute weicht der Faszination an der eigenen Exotik.

Insbesondere traditionelle, bäuerliche Lebens- und Arbeitsweisen – so unzeitgemäß und fremd sie erscheinen mögen - werden immer wieder für die Erzeugung und Stabilisierung eines Schweizer Selbstbildes instrumentalisiert, das sich seinerseits als weltweit funktionierende "Marke" durchgesetzt hat. Diese Verknüpfung von archaisierendem Selbstentwurf und global wirksamer Marketingstrategie wurde und wird durch das Medium Film sowohl fortgeschrieben als auch ironisch gebrochen.

In welchem Verhältnis steht dieses Image zur Realität der Schweiz als Einwanderungsland? Einige KünstlerInnen erforschen aus persönlicher Sicht die Grenzbereiche nationaler und ethnischer Zugehörigkeit sowie das ambivalente Verhältnis zu einer teils als präsent, teils als fremd erlebten Herkunft und Vergangenheit.

Ganz bewusst weist das Programm auch über die Grenzen der Schweiz hinaus, indem es sich in einem allgemeineren Sinne den Konstruktionen territorialer und nationaler Integrität von Staaten und Bündnissen zuwendet. Es beschreibt Prozesse der Grenzziehung und Grenzüberschreitung, Phasen der politischen und ökonomischen Transformation und Krise sowie die Wirkungsmacht des politischen Rituals.

Ort
PhoenixHalle
Hochofenstraße / Ecke Rombergstraße
Dortmund-Hörde

Ein Projekt des
hartware medien kunst verein +
medien_kunst_netz dortmund

in Kooperation mit
dortmund-project
LEG - Landesentwicklungsgesellschaft NRW GmbH
Pro Helvetia - Schweizer Kulturstiftung
Kulturbüro Stadt Dortmund

im Rahmen von
scene: schweiz in nrw
37. Internationale Kulturtage der Stadt Dortmund 2004 mit der Schweiz

Kuratorin
Katrin Mundt

Technische Leitung
Uwe Gorski

Eintritt (inkl. Ausstellungsbesuch)
Freitag: 4/2 EUR
Samstag: 11/7 EUR (inkl. Abendessen)
Sonntag: 4/2 EUR

Programm

Freitag, 4. Juni

20:00 Uhr
Grüezi wohl, Frau Stirnimaa
Sonja Wyss, CH 1999, 3’
Eine ungewöhnliche Video-Umsetzung des bekannten Schweizer Volksliedes.

Peiden
Mattias Caduff, CH 2002, 24’
Der Filmemacher reist in das Dorf seiner Vorfahren, das er selbst nur aus Erzählungen kennt und berichtet von den Begegnungen mit dessen Bewohnern - einer Dorfgemeinschaft von Zugezogenen, Pendlern und Aussteigern.        
  
Inland Archiv. Teil zwei von zehn: Umbau
Erich Busslinger, CH 2003, 15’
Auf seinen Reisen durch die Schweiz hat Erich Busslinger seit 1999 Bildmaterial gesammelt, das er zu zehn kurzen, visuell dichten Filmcollagen um jeweils einen zentralen Begriff arrangierte. „Umbau“ ist ein Kapitel dieses Video-Archivs.
     
Vidéo japonaise - Ich sehe japanisch
Renatus Zürcher, CH 1997, 9’
Zürchers Video basiert auf Urlaubsfilmen japanischer Touristen in der Schweiz. Wir sind eingeladen, uns ihre "fremde" Optik anzueignen.
                         
21:30 Uhr
... via Zürich
Alexander J. Seiler, CH 1967, 13’
Ein Zwischenhalt in Zürich für Flugtouristen.        

2069 – oder dort, wo sich Futurologen und Archäologen Gute Nacht sagen
Fredi M. Murer, CH 1969, 38’        
Ein Science Fiction, der zugleich eine Reise in die Schweiz der 1960er Jahre ist. Ein Alien (entworfen von H. R. Giger) dokumentiert das Leben in der Schweiz nach dem Ende der Eidgenossenschaft.

Samstag, 5. Juni

11 Uhr
Rundgang durch die Ausstellung "So wie die Dinge liegen"  
           
12 Uhr
Inland Archiv. Teil sieben von zehn: Naturpark
Erich Busslinger, CH 2003, 15’
Ein weiteres Kapitel des Inland Archivs, das um künstliche Landschaften und Illusionen von Ursprünglichkeit kreist.        
                       
Q - Begegnungen auf der Milchstraße
Jürg Neuenschwander, CH 2000, 94’
Viehzüchter aus Mali und Burkina Faso bereisen die Schweiz und tauschen sich mit ihren eidgenössischen Berufskollegen über Sinn und Unsinn einer industrialisierten Landwirtschaft, die Freundschaft zwischen Mensch und Kuh sowie die Kosmologie des Rindes aus.        

14 Uhr        
Vortrag: Wandert in der Schweiz (solange es sie noch gibt)!
von Fred Truniger
Die Bekanntschaft mit der Landschaft hat in der Schweiz seit ihrer Gründung Mitte des vorletzten Jahrhunderts eine besondere Bedeutung. Im unbescheidenen Bewusstsein nicht nur im reichsten, sondern auch im schönsten Land der Welt zu leben, war die Beschäftigung mit den Naturschönheiten und der unverfälschten Kultur ihrer BewohnerInnen für jedeN
StädterIn ein Quell für das Zugehörigkeitsgefühl zur vielsprachigen Schweiz. Man konzentrierte sich dabei vornehmlich auf die Exotik der Alpen, das urbane Mittelland wurde nur selten beachtet.

16 Uhr
Schlagen und Abtun
Norbert Wiedmer, CH 1999, 90’
Schlagen und Abtun sind die zwei Grundbegriffe eines archaischen Spiels aus der bäuerlichen Kultur der Schweiz. Entstanden aus dem Wehrgedanken, steht das Hornussen in seiner heutigen Form an der Schnittstelle von lokaler Folklore, ambitioniertem Breitensport und nationaler Imagebildung.        
                       
18 Uhr A B E N D E S S E N         

19 Uhr
Vortrag: Swiss etc.
von etc. publications
Am Beispiel der Schweiz reflektieren Nicolas Bourquin, Sven Ehmann und Krystian Woznicki ein Staatsmodell, das einerseits auf klare Grenzen setzt (Identität und Territorium sind klar umrissen), andererseits in der durch Grenzenlosigkeit geprägten Weltwirtschaft harmonisch aufgeht. Ein Paradoxon, das anhand von Sonderstaaten, Special Economic Zones und kommunistischen Nationen näher beleuchtet wird.          
                       
20:30 Uhr
Schenglet®
Laurent Nègre, CH 2002, 7’
Ein fiktiver Werbespot der noch nicht existierenden Europäischen Einwanderungsbehörde für eine Technologie zur Überwachung der Schengen-Außengrenzen.        
                           
Mister Locke, ...
Marco Poloni, CH 2002, 1'40''
Das Video spielt in Anlehnung an eine Szene aus Antonionis The Passenger die Mechanismen von Projektion und Verdächtigung durch, die unsere Wahrnehmung des Anderen steuern.        
                           
Les mille mais une nuit
Kaveh Bakhtiari, CH 2002, 18’
Das Video zeigt eine Reihe von Gesprächen zwischen dem Filmemacher und seinem Vater, die um den Wunsch nach Leugnung bzw. Rekonstruktion der gemeinsamen Vergangenheit im Iran kreisen.        
                         
Butterfly
Sandie Tourle, CH/F 2000, 12’
Eine Annäherung an die eigene Kindheit in Zimbabwe, die sich bewusst nostalgisch an gefundenem Filmmaterial, Erinnerungsfotos und Musik entlang bewegt.            
                                     
21:30 Uhr
Siamo italiani/Die Italiener
Alexander J. Seiler, CH 1964, 79’
Der Film dokumentiert das Leben der ersten Generation italienischer ArbeitsmigrantInnen in der Schweiz sowie die Maßnahmen, die ein alarmierter Staat wie auch eine verunsicherte Öffentlichkeit zu ihrer Kontrolle und Stereotypisierung unternehmen.          
                       

Sonntag, 6. Juni

12 Uhr
Remote Sensing
Ursula Biemann, CH 2001, 54’
Der Videoessay zeichnet die Territorien des globalen Sexhandels nach und entwirft eine Medientopographie, in der die Sexualisierung der Frau im globalen Kapitalismus oft in widersprüchlicher Weise mit neuen Technologien verbunden ist.        
                       
14 Uhr
Tarifa Traffic. Tod in Gibraltar
Joakim Demmer, CH/D 2003, 60’
Jeden Monat versuchen Tausende afrikanischer Immigranten, in Schlauchbooten die Meerenge zwischen Marokko und Spanien illegal zu überqueren. Das Surferparadies am Strand von Tarifa offenbart sich in diesem Film als ein Grenzort, an dem die Integrität der Festung Europa mit Menschenleben erkauft wird.        

16 Uhr
Macau Handover
Hanspeter Ammann, CH 2000, 27’
Das Video verwendet Aufnahmen der offiziellen Feierlichkeiten anlässlich der Rückgabe Macaus an die VR China. In der verfremdenden Zeitlupe erscheint der historisch bedeutsame Moment zugleich zerdehnt und verewigt, abseitig und monumental.          

mit Filmen von
Hanspeter Ammann
Kaveh Bakhtiari
Ursula Biemann
Erich Busslinger
Mattias Caduff
Joakim Demmer
Fredi M. Murer
Laurent Nègre
Jürg Neuenschwander
Marco Poloni
Alexander J. Seiler /
June Kovach /
Rob Gnant
Sandie Tourle
Norbert Wiedmer
Sonja Wyss
Renatus Zürcher

mit Vorträgen von
Fred Truniger
etc. publications

Ausstellung
So wie die Dinge liegen

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