Susanne Weirich: Medienkunst-Stipendiatin des Landes NRW 2008

Dortmund | Phoenix Halle

Angels in Chains: Präsentation der neuen 3-Kanal Video-Installation (2008/09), die an das Killer-Kommando erinnert, das 1969 im Auftrag von Charles Manson sieben Menschen brutal ermordete, darunter Sharon Tate, die Ehefrau von Roman Polanski. Auf dem Weg in den Gerichtssaal machten die drei Mörderinnen den Eindruck einer fröhlichen Girlieband und sangen ein Lied ihres Anführers. In der Installation verschmelzen sie mit den Darstellerinnen der TV-Serie Drei Engel für Charly.

Angels in Chains

Die 3-Kanal Video-Installation (2008/09) zitiert einen minimalen Bühnen-Aufbau für drei Sängerinnen: Zwei Mikrofonständer, zwei Lautsprecherboxen und einen Audioverstärker. Die Bühnenscheinwerfer/Beamer werfen Video-Projektionen auf kreisrunde Scheiben, die die wechselnden Gesichter der Sängerinnen in Kristallkugeln zeigen. Lippensynchron singen sie ein Lied von Charles Manson:‚Never Say Never To Always’. Ausgangspunkt war ein Pressefoto, das die drei jungen Mörderinnen zeigt, die an den ‚Tate / La Bianca’-Morden beteiligt waren. Auf dem Weg in den Gerichtssaal machten Susan Atkins, Patricia Krenwinkel und Leslie van Houten den Eindruck einer fröhlichen Girlieband und sangen ein Lied von Charles Manson. Die Sängerinnen in den Kugeln sind Schauspielerinnen, die die Mörderinnen in je zwei Rollen darstellen: 1969, zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung und vierzig Jahre später. Dazwischen einmontiert sind weitere Protagonistinnen. Es handelt sich um die drei Geheim-Agentinnen aus der 70er-Jahre TV-Serie ‚Charlie’s Angels’ sowie um die Heldinnen aus den Hollywood-Remakes der Serie von 2000/03. Alle Beteiligten geben Cameo-Auftritte in den Geschichten der anderen Akteurinnen. In jeder Geschichte verbinden sich Starruhm und populärer Mythos in einem medialen Setting mit Gewalt und Verbrechen.

Die Installation verknüpft verschiedene Medienbilder und -konstrukte miteinander und überblendet das eine Hollywood-Bild mit dem anderen. Die Sängerinnen - durch ihre youtube-Auftritte nur noch medial in der Gesellschaft präsent - singen als gefangene Geister im medialen Himmel.

(3 Beamer / 3 runde Projektionsscheiben, Ø je 70 cm  / Audioverstärker - Audio Visual Laboratories Inc, Stereo Travler III aus den USA 60er Jahre, 2 Lautsprecherboxen, 3 CF-Card Player)

Cast (1969/2009): (Susan Atkins): Jessica Páez / Lore Wilkening und Jaclyn Smith als ‚Kelly’, Lucy Liu als ‚Alex’. (Patricia Krenwinkel): Viktoria Bisco / Traute Hochwald und Kate Jackson als ‚Sabrina’, Drew Barrymore als ‚Dylan’  (Leslie van Houten): Isabelle Höpfner / Christine Jansen und Farrah Fawcett als ‚Jill’, Cameron Diaz als ‚Natalie’
Crew: Kamera: Jakobine Motz, Schnitt: Janine Dauterich, Visual Effects: Alexeji Tschernyi, Casting: Johannes Buchholz, Sascha Kölzow, Maske: Stefanie Schädlich, Kostüm: Wilma Renfordt, Ton: Charles Manson ‚Never Say Never To Always’, Requisite: Silvio Naumann, Bühnentechnik: Tobias Boner, Dirk Gögen, Christian Möltner, Beratung: Robert Bramkamp, Konzept/Regie: Susanne Weirich
Produktion: BramkampWeirich mit freundlicher Unterstützung aus Mitteln des Medienkunststipendiums 2008 des Landes NRW

2009 Hamburger Kunsthalle
2010 Villa Merkel, Esslingen


Susanne Weirich
geb. 1962, lebt seit 1991 in Berlin. In ihren multimedial und transdisziplinär angelegten Installationen untersucht sie mit einem konzeptuellen Ansatz narrative Strukturen. Immer wieder entwickelt sie installative Formen, in denen sie das Zusammenspiel von Realität und Fiktion in Alltags- und Parallelwelten thematisiert. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft und der Freien Kunst in Münster ist sie seit Jahren in internationalen Gruppen-und Einzelausstellungen präsent, u.a. in „Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert Kunst in Deutschland“(1999) in der Neuen Nationalgalerie Berlin, „Spielräume“ (2005), im Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg, oder „You won’t feel a thing“ (2006) im Whyspa Art Institute, Gdansk, zuletzt in ‚ManSon.1969’ in diesem Jahr in der Hamburger Kunsthalle. Das Kunsthaus Zürich zeigte bereits 1999 eine „Kleine Retrospektive“ ihrer Werke. Seit 1991 lehrte sie an unterschiedlichen Institutionen wie unter anderem an der TU Berlin, 1995-97 am Art Center College of Design, Los Angeles. Von 2000-07 war sie Professorin an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, in diesem Jahr Gastprofessorin an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee. Die Künstlerin erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, wie etwa in 2000 das Medienkunststipendium des Edith Russ-Hauses Oldenburg, in 2004 und 2005 von der Kulturstiftung des Bundes (zuletzt 2008 das Stipendium für Medienkünstlerinnen des Landes NRW.) Sie realisierte zudem mehrere Installationen und Arbeiten im öffentlichen Raum, unter anderem für die Siemens AG Nürnberg, das Land Berlin, die Freie und Hansestadt Hamburg und zuletzt in 2008 für die Stanford University Berlin. Mit ihren Werken ist sie in mehreren öffentlichen Sammlungen vertreten, wie dem Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus, der Berlinischen Galerie, der Sammlung des Bundes, der Hamburger Kunsthalle und in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig.

Weitere Infos auf der Website der Künstlerin: http://www.susanneweirich.com


PRESSE-Zitate zu  Susanne Weirich „Angels in Chains“

Der Tagesspiegel, “Drei Engel für Charles Manson“, 18.02.2009
Nicola Kuhn
(...) Einen kleinen Bezug zu Manson gibt es hier dennoch: Auch dieser charismatische Verführer wäre gern Künstler gewesen; zu mehr als einer Probeaufnahme bei den Beach Boys reichte es jedoch nicht. Dafür sangen die von ihm entsandten Mörderinnen Susan Atkins, Patricia Krenwinkel und Leslie van Houten 1970 bei ihrem Einzug ins Gerichtsgebäude die Hymne der Manson-Family: „Never Say Never to Always“. Susanne Weirich erinnert an diesen abstrusen Auftritt mit einer Videoinstallation, in der sie Bilder der drei Täterinnen und der Darstellerinnen aus der TV-Serie „Drei Engel für Charlie“ zusammen schneidet. Auch das Filmtrio handelt im Auftrag einer höheren Macht namens Charles, nur befindet es sich auf der Seite der Guten. Bis heute sitzen die Manson-Girls und ihr Guru in kalifornischen Gefängnissen ein, Gnadengesuche werden abgelehnt, auch wenn sich Susan Atkins mittlerweile als „Wiedergeborene Christin“ wähnt. Die Geschichte von 1969 ist längst nicht ausgestanden. Der Mythos lebt. Kunst und Pop zehren davon.

Süddeutsche Zeitung „Der letzte Hippie“, 3.02.2009
Til Briegleb
(...) Den Horror nachvollziehen
In der großen Menge der Positionen gibt es natürlich auch Gewichtigeres - etwa den Nachbau eines MIT-Experimentes mit Metallwürfeln, einem Roboterarm und Mäusen von 1970 durch Lutz Dammbeck, der militärisch-technokratische Verhaltensforschung aus dieser Zeit in Erinnerung ruft. Und es gibt unterhaltsam gelöste Analogien, etwa unter dem Stichwort "Charlie's Angels", womit die von Manson beherrschten Mörderinnen Susan Atkins, Patricia Krenwinkel und Leslie van Houten ebenso bezeichnet wurden wie die Agentinnen der TV-Serie aus den Siebzigern. (...)

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.02.2009, Nr. 29, S. 33
Peter Geimer
(...) Die beiden überzeugendsten Arbeiten nähern sich dem Thema aus der Distanz medialer Nachinszenierungen. Susanne Weirich erinnert an die Selbstdarstellung der drei Mörderinnen von Los Angeles, die zum Entsetzen der Öffentlichkeit als singende Blumenkinder in den Gerichtssaal einzogen. In Weirichs Installation "Angels in Chains" kehren sie als sphärisch entrückte Gesichter in Ton und Bild zurück und verschmelzen mit den Darstellerinnen der Hollywoodserie "Drei Engel für Charly".

Susanne Weirich ist Medienkunst-Stipendiatin des Landes NRW 2008.
Mehr Informationen zum Stipendium des Landes Nordrhein-Westfalen für Medienkünstlerinnen aus NRW unter http://www.hmkv.de/stipendium/

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