Vortrag & Talk: Genossin Kosmos – Religiöse Ursprünge und kapitalistische Zukünfte der Raumfahrt

HMKV im Dortmunder U | Ebene 3

Vorträge und ein Gespräch mit dem Historiker und Slawisten Michael Hagemeister (Bochum) und der Amerikanistin Alexandra Ganser (Wien), moderiert von Inke Arns (HMKV). Weitere Informationen auf der Webseite des medienwerk.nrw.

 

Vom russischen Kosmismus bis zu astrofuturistischen Utopien – zwei Vorträge und ein Gespräch beleuchten Visionen zwischen Heilslehre, Raumfahrt-Euphorie und kolonialen Schattenseiten. Die zwei Vorträge und ein anschließendes Gespräch widmen sich zwei auf den ersten Blick entgegengesetzten Ideenwelten, die sich mit Erzählungen über Raumfahrt und die Rolle der Menschheit im Kosmos beschäftigen. Im anschließenden Gespräch sollen die Parallelen, Spannungen und Brüche dieser beiden Konzepte diskutiert werden, in Bezug zu unserem Leben hier auf der Erde, beschienen von der Genossin Sonne

Im ersten Vortrag „Der ‚Russische Kosmismus‘ – eine holistische Heilslehre für das Anthropozän“ stellt Michael Hagemeister eine philosophische Strömung vor, die in den 1970er- und 1980er-Jahren zur geistigen Untermauerung des sowjetischen Raumfahrtprogramms entwickelt wurde. Der „Russische Kosmismus“ verbindet ein holistisches und anthropozentrisches Weltbild mit einer teleologisch gedachten Evolution und erhebt den Anspruch, die Stellung und Aufgabe der Menschheit ihren Platz im Universum zu definieren. Heute prägt er Teile der „Russischen Idee“ und dient als Legitimationsfigur für die behauptete „geistige Souveränität“ des postsowjetischen Russlands. Der Vortrag beleuchtet sowohl die Faszination dieser Denkweise als auch ihre totalitären Dimensionen. 

Im zweiten Vortrag „Astrofuturistische Utopien im Space Race des 21. Jahrhunderts“ wirft Alexandra Ganser einen Blick auf die zeitgenössische Raumfahrt, die zwischen Heilsversprechen, Expansionsfantasien und dystopischen Untertönen oszilliert. Von der Vision interplanetarer Mobilität bis zur Marskolonisation reicht ein Diskurs, der zugleich utopische Hoffnungen nährt und koloniale wie extraktivistische Logiken fortschreibt. Der Vortrag untersucht, wie sich in der Erzählung einer Flucht ins All bestehende Ungleichheiten und rassistische Siedlungspolitiken fortsetzen. 

 

Biografie/ CV

Alexandra Ganser ist Professorin für nordamerikanische Literaturen und Kulturen an der Universität Wien, wo sie bis 2024 auch Direktorin der interdisziplinären Forschungsplattform "Mobile Kulturen und Gesellschaften" war und das Zentrum für Kanadastudien (ZKS).leitet. Sie ist FWF Elise Richter Preisträgerin und Autorin der Monographien "Crisis and Legitimacy in Atlantic American Narratives of Piracy, 1678-1861" (Palgrave Macmillan) und "Roads of Her Own: Gendered Space and Mobility in North American Women's Literature, 1970-2000" (Rodopi) sowie Mitherausgeberin der Reihe "Maritime Literature and Culture" (mit Meg Samuelson und Charne Lavery, Palgrave Macmillan). Sie hat an der University of Oklahoma, der American Antiquarian Society in Massachusetts, und in New York geforscht und beschäftigt sich derzeit v.a. mit US-amerikanischer Astrokultur. 

 

Michael Hagemeister ist Historiker und Slawist. Nach seiner Promotion mit einer Studie über den russischen Philosophen Nikolaj Fedorov war er an Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig. Schwerpunkte seiner Forschung sind russische Philosophie und Geistesgeschichte, utopisches und apokalyptisches Denken in Russland sowie die „Protokolle der Weisen von Zion”. Zuletzt arbeitete er an einem Forschungsprojekt der Ruhr-Universität Bochum über antiwestliches und antimodernes Denken in Russland. Zu seinen Veröffentlichungen gehören Biopolitische Utopien in Russland zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2005) zusammen mit Boris Groys; „Konstantin Tsiolkovskii and the Occult Roots of Soviet Space Travel“, in The New Age of Russia. Occult and Esoteric Dimensions (München: Sagner, 2012); „Le ‚cosmisme russe‘, ‚philosophie de l’avenir?‘“, in Le cosmisme russe. (Toulouse: Slavica Occitania, 2018). 

 

 

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